Tagesordnungspunkt beschlossen – oder doch nicht?
Im Rahmen der alljährlichen Eigentümerversammlung steht sie wieder auf dem Plan: Die Beschlussfassung über die verschiedenen Tagesordnungspunkte. Aber kann die Wohnungseigentümergemeinschaft wirklich alles durch Beschluss entscheiden oder sind ihr rechtliche Grenzen gesetzt?
Im Wohnungsgesetz (WEG) ist geregelt, dass Angelegenheiten durch Beschluss entschieden werden können, wenn entweder das Gesetz dies konkret vorsieht (zum Beispiel ordnungsgemäße Verwaltung, Bestellung und Abberufung der Hausverwaltung, Wirtschaftsplan und Jahresabrechnung, Bestellung des Verwaltungsbeirats) oder aber eine Vereinbarung der Wohnungseigentümer diese Beschlussfassung ermöglicht, die Vereinbarung also eine so genannte Öffnungsklausel enthält. Die Eigentümer müssen ermächtigt sein, einen Beschluss zu fassen, sie müssen die erforderliche Beschlusskompetenz haben.
Ist eine Angelegenheit weder durch konkrete Regelungen im Wohnungseigentumsgesetz noch durch Vereinbarung der Beschlussfassung unterworfen, fehlt es an der Beschlusskompetenz; ein dennoch gefasster Beschluss ist nichtig.
Beispiel: Beschluss darüber, dass die Hausverwaltung im Namen der Wohnungseigentümergemeinschaft die fehlende Zustimmung einzelner Miteigentümer zur Abänderung des Umlageschlüssels in der Gemeinschaftsordnung notfalls gerichtlich einholen und durchsetzen soll. Es fehlt an der Beschlusskompetenz, da der Anspruch des einzelnen Eigentümers auf Abänderung der Gemeinschaftsordnung laut WEG nicht auf das Gemeinschaftseigentum und dessen Verwaltung, sondern auf die inhaltliche Ausgestaltung des Gemeinschaftsverhältnisses gerichtet ist. Dieser höchstpersönliche Individualanspruch kann nicht vergemeinschaftet werden (BGH, Urteil vom 13.10.2017, V ZR 35/16).
Ein Beschluss mit Beschlusskompetenz, welcher jedoch gegen materielles Recht, etwa gegen eine bestehende Vereinbarung oder gesetzliche Regelungen verstößt, ist nicht nichtig. Dieser Beschluss bleibt so lange gültig, bis er durch das zuständige Gericht für ungültig erklärt worden ist. Der Beschluss kann nur innerhalb der Monatsfrist vor dem zuständigen Gericht angefochten werden.
Fazit: Bestehen Anhaltspunkte dafür, dass der Beschluss nicht ordnungsgemäß ergangen ist, ist schnelles Handeln gefragt, zumal eine Abgrenzung zwischen Nichtigkeit und materieller Rechtswidrigkeit im Einzelfall schwierig sein kann. Binnen der relativ kurzen Anfechtungsfrist von einem Monat ist im Fall der materiell-rechtlichen Rechtswidrigkeit vor dem zuständigen Amtsgericht Anfechtungsklage zu erheben. Nur so kann verhindert werden, dass der Beschluss bestandskräftig wird.
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